Blanc sur Blanc (avec Damien Blanc & Alberto Blanc), 1993 – photographie noir et blanc / black and white photograph – 120 x 120 cm.

Blanc sur Blanc (avec Damien Blanc & Alberto Blanc), 1993 – photographie noir et blanc / black and white photograph – 120 x 120 cm.

Hervé Laurent (Übersetzung: Michaela Ott)
Staircase 2,
Galerie für Zeitgenössische Kunst,
Leipzig (8.sept.- 29 oct. 1994)

Auf ist eine Präposition. Im Französischen heißt es »Blanc sur Blanc« (Weiß auf Weiß), im Englischen »Hard on Soft« (Hart auf Weich). Die Präposition ist wörtlich zu verstehen: Damien Blanc wird auf den Schultern von Alberto Blanc sitzend fotografiert. Ein Nadeldrucker steht auf einem Schaumblock.

»Weiß auf Weiß« bezieht sich auf eine Serie von Gemälden, die Malevitsch 1918 unter diesem Titel ausgeführt hat. Jedes dieser Werke rührt an die Grenzen unserer Wahrnehmung. Jedes besteht aus einer weißen geometrischen Form, die sich auf einem »Grund« einer identischen Farbe einschreibt. Der suprematistische Ansatz Malevitschs kann als der Versuch interpretiert werden, die Malerei aus dem Gebiet der reinen Visualität herauszuführen. Zumindest weist sie auf jenen eingeschränkten Blick hin, auf den sich die akademische Kunst eingeengt hatte. Die Bezeichnung »Weiß auf Weiß« für eine Fotografie in Schwarz und Weiß, mittels zweier Homonyme, von denen das eine auf den Schultern des anderen sitzt, heißt, die Frage der Beziehung der Kunst zur Sichtbarkeit neu stellen. Sie zielt weniger auf die puristische Abstraktion, sondern auf deren Fähigkeit, von der Realität der Erscheinungen Zeugnis abzulegen. Graumann behauptet in der Folge von Malevitsch nicht, daß es nichts mehr zu sehen gibt. Er befragt das was-es-zu-sehen-gibt im Bilde und das genau da, wo der von der Technik erzeugte Effekt des Realen normalerweise die Frage verborgen hält.

Hard on soft, 1993 – ordinateur, imprimante à aiguilles, socle en mousse computer, dot matrix printer, foam base – 145 x 50 x 40 cm.

Hard on soft, 1993 – ordinateur, imprimante à aiguilles, socle en mousse
computer, dot matrix printer, foam base – 145 x 50 x 40 cm.

»Hard on Soft« nimmt die Disposition von »Blanc sur Blanc« auf, in dem ein harter Gegenstand, hier ein Nadeldrucker, auf einen »weichen« Gegenstand gestellt wird. In diesem Fall ist es ein Schaumblock, den die Hin- und Herbewegungen des Druckkopfes in Schwingung versetzen, so daß das Harte das Welche mitzieht, ihm seine eigene Bewegung aufdrückt. Hielte man sich an diese Beschreibung, könnte man das Werk als Hommage an Jean Tinguely verstehen: Die Informationstechnologie ersetzt mit ihren Geräuschen und Bewegungen die von Motoren angetriebenen mechanischen Gefüge.

Würde man es dabei belassen, hieße das die unerhörte Bedeutung vergessen, welche das hard/soft in der Sprache des Computerbenutzers angenommen hat. Heute weiß jeder, daß hard und soft Abkürzungen für hardware und software sind. Begriffe, die Datengeräte bezeichnen (den Computer und seine Anschlußgeräte) und alle Programme, welche die Nutzung solcher Systeme erst ermöglichen. Im weiteren Sinn sind alle Gegenstände, die phänomenale Realität, Stuhl, Welle, Baum und vielleicht auch der kleine Vogel, der auf einem der Zweige sitzt, enthält,hard. Unter diesem Titel könnte der Schaumblock, der von dem Drucker gekrönt wird, auch als »hart auf hart« beschrieben werden oder genauer als »weich in hart-hart auf weich-hart«, da es soft (Programme) im Drucker gibt und der Schaumblock weich ist, und so weiter.

So ist der Titel des Werks im besten Fall unendlich, im schlechtesten unbestimmbar. Die Kategorien, die er ins Spiel bringt, bewegen sich keineswegs auseinander. Sie können sich vielmehr gegenseitig anstecken. Das gesamte Vorgehen, das von Hervé Graumann mit unterschiedlichen Trägermaterialien realisiert wird, gehorcht dieser epidemischen Logik. »Hart auf weich« ist in Wahrheit ein Gemisch aus unvermischbarem hard und soft. Genau wie heute der Stuhl, die Welle, der Baum und der kleine, auf einem Zweig sitzende Vogel. Mit anderen Worten: Aus diesem Drucker kommt nichts heraus, weil die Prosa der Welt, der Raum ihrer Ausdehnung, um nicht erneut von ihrer Verbildlichung zu sprechen, kein stabiler Plan mehr ist, sondern ein ozillierender Rhythmus, der nur als Sinnmetapher ein unbestimmte, Vibrieren zwischen hart und weich hervorbringt.